Betrachten Sie Middelburg und seine Geschichte durch ein Weinglas und Sie bekommen eine andere Perspektive auf die Stadt.
- Ob in Middelburg jemals Wein angebaut wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Zumindest war der Weinanbau in den Niederlanden im Mittelalter aufgrund des relativ warmen Klimas möglich. Middelburg hat, wie viele andere Städte in Zeeland, z. B. Veere, Domburg und Goes, eine Weinbergstraße, so dass man einen Zusammenhang mit dem Weinbau vermuten könnte. Im Mittelalter besaßen Kirchen, Abteien und Gotteshäuser manchmal eigene Weinberge, weil der Wein für die Messe benötigt wurde und die Geistlichen ein Glas Wein zu schätzen wussten. Das Kloster in Middelburg in der Nähe der Wijngaardstraat war das Cellebroedersklooster, von dem die englische Kirche noch immer ein Überbleibsel ist.
Der Weinhandel hingegen war in der Schelde-Region durchaus präsent. Mächtige flämische Städte wie Brügge und Gent waren im 13. und 14. Jahrhundert Städte, die mit zahlreichen europäischen Städten Handel trieben, darunter auch Weinhandel. Der Wein wurde über den Zwin eingeführt, wo der Wein über die Vororte von Brügge, Damme und Sluis umgeschlagen wurde. Damme besaß im 13. Jahrhundert einen Stadtkran und erhielt sogar eine Zeit lang das Stapelrecht für verschiedene Produkte, darunter auch Wein. Das Stapelrecht bedeutet, dass Waren, die an einer Stadt vorbeigeführt werden, dort zunächst gelagert und zum Verkauf angeboten werden müssen. Durch das Stapelrecht konnten zum Beispiel Städte an der Küste florieren. Doch im 13. und 14. Jahrhundert versandete der Zwin, so dass ein Teil des Überseehandels verschwand.
Während Städte wie Brügge und Gent mit ihren Zehntausenden von Einwohnern damals große, wohlhabende Städte waren, waren Middelburg und Arnemuiden Kleinstädte mit einigen Tausend Einwohnern. Dennoch entwickelten sich beide Städte zu wichtigen (Transit-)Handelshäfen. Der Weinhandel wurde in Middelburg bereits in der Stadturkunde von 1217 erwähnt, die sich auf das 12. In dem Schreiben wurde der Verkauf von „gefälschtem Wein“ unter Strafe gestellt und es wurde sogar auf eine Keur, eine Urkunde mit Stadtrechten, aus dem 12.
Arnemuiden, buchstäblich die Mündung der Arne, war der Anschluss an den Welzinge-Kanal und spielte eine sehr wichtige Rolle als Ausgangshafen für Middelburg und später für Antwerpen. Hier trafen die Schiffe ein, die zunächst vor allem aus La Rochelle und Bordeaux kamen und hauptsächlich Wein und Salz transportierten. Arnemuiden wurde sozusagen zur Drehscheibe der westlichen Weine. Hier wurde der Wein auf unzähligen Schiffen für die genannten Städte umgeschlagen. Eine handgezeichnete Karte von Jacob van Deventer aus dem Jahr 1545 zeigt sowohl den Fluss Arne als auch den Havenkanal, der von 1532 bis 1535 in Middelburg im Auftrag von Karl dem Fünften im Jahr 1531 gegraben wurde. Dies war notwendig, weil die Arne ebenso wie der Zwin verschlammte. Bis dahin muss es ein herrlicher Anblick gewesen sein, all die Schiffe zu sehen, die durch den mäandernden Fluss Arne oder direkt durch den Havenkanaal fuhren. Der Hafen von Arnemuiden war ein sehr belebter Ort und wurde von dem Italiener Ludovico Guicciardini 1567 sogar als das Zentrum Europas bezeichnet. Er beschrieb, dass oft vier- oder fünfhundert Schiffe auf der Reede lagen. Wein war häufig eine der Ladungen.
Zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts war Middelburg ein internationaler Hotspot. Neben Seeländern und Niederländern waren auch deutsche Hanseaten, Franzosen, Portugiesen, Spanier, Genuesen, Langobarden, Venezianer, Engländer und Schotten in Middelburg unterwegs. Die Weine kamen aus Deutschland, der Schaumwein aus den französischen Häfen, wo er vom Lande hergebracht wurde. Süßweine wie Roemeni, Bastard oder Malvesye wurden aus dem Mittelmeerraum mitgebracht.
Was ist in Middelburg außer dem mittelalterlichen Straßenbild, der Abtei und der Wijngaardstraat noch zu sehen, das an die Geschichte des Weins erinnert?
Neben der Wijngaardstraat gibt es zahlreiche Straßen, die irgendwie mit dem Weinhandel oder dem Handel im Allgemeinen zu tun haben. In der Nähe hinter dem Dam-Platz befindet sich zum Beispiel die Pijpstraat. Eine Pijpstraat ist ein Fassungsvermögensmaß für Wein. In früheren Zeiten gab es viele Lagerhäuser für Wein. Die Kraanstraatje, eine Sackgasse der Breestraat, bezieht sich auf einen Holzkran, der am Rotterdamer Kaai stand. Rouaanse Kaai und Rotterdam Kaai beziehen sich offensichtlich auf Rouen, wo der Wein herkam, und Rotterdam, das viel Handel trieb, aber auch viel vom Weinhandel nach dem 16.
Viel sichtbarer und spannender sind die Hausnamen über den Türen der Denkmäler, die überall in Middelburg zu finden sind. Früher gab es keine Hausnummern, aber Hausnamen, an denen man die Häuser erkennen konnte. In der Singelstraat zum Beispiel stehen vier Häuser nebeneinander, die ein Oxhooft im Hausnamen tragen: Petauw Oxhooft, Conjack Oxhooft, Toursaens Oxhooft und das Court Oxhooft. Der Oxhooft hat die Größe eines Weinfasses. Der Name der Stadt La Rochelle, aus der im späten Mittelalter viel Wein kam, findet sich auf nicht weniger als vier Häusern in Middelburg. Eines davon ist mit der Fassade von 'Den Vliegendt Hert' verbunden, in dem sich heute eine Weinhandlung befindet. Das Vliegendt Hert bezieht sich auf ein VOC-Schiff, das 1735 vor Rammekens sank. Dutzende von Hausnamen in Middelburg beziehen sich auf Regionen und Städte, in denen (Wein-)Handel betrieben wurde, auf Weinsorten, Inhaltsmaße, biblische Referenzen oder Weinattribute wie eine Weinpresse oder einen Rummer.
Verschwunden bzw. im Zweiten Weltkrieg zerstört ist das schöne Weinkaufhaus, das sich seit dem 17. Jahrhundert am Dam-Platz befand. Eine Seitenstraße des Dam-Platzes führt zum malerischen Kuiperspoort, in dem lange Zeit die Böttcherzunft untergebracht war. Böttcher waren Handwerker, die Fässer für den Transport von Wein und vielen anderen Produkten herstellten. Die Fässer waren damals das, was heute die Container sind. Die Lagerhäuser im Kuiperspoort haben Keller, in denen die Fässer ein- oder ausgelagert wurden. Am Molenwater gibt es ein Gebäude mit einem Giebelstein, der einen Küfer darstellt. Giebelsteine sind als eine Art Aushängeschild zu verstehen, auf dem zum Beispiel der Beruf des Bewohners abgebildet ist.
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